Dies ist der erste Teil der Serie über unseren finanziellen Masterplan. In dieser Serie erkläre ich Schritt für Schritt, wie wir unser Leben künftig finanzieren wollen.

Überblick über alle Teile der Serie:

  1. Der finanzielle Masterplan
    In diesem Teil erkläre ich, wie wir theoretisch für immer von unserem angesparten Vermögen von etwa 340’000 Franken leben können, ohne je wieder arbeiten gehen zu müssen. Dieses Vermögen ist hauptsächlich in Aktien investiert. Ich stelle dir die 4-Prozent-Regel vor und rechne vor, dass wir anhand dieser Regel rund 1’100 Franken pro Monat aus dem Aktienportfolio entnehmen könnten, ohne dass das Vermögen aufgebraucht wird.
  2. Der finanzielle Masterplan – Teil 2
    In diesem Teil zeige ich, wie unser Vermögen strukturiert ist. Das Gesamtvermögen von 340’000 Franken besteht aus einem risikoarmen (Cash und kurzläufige Staatsanleihen) und einem risikobehafteten Teil (Aktien). Ich lege dar, wie das Verhältnis dieser beiden Teile bei uns ist. Ausserdem liegt ein Brocken des Gesamtvermögens in Vorsorgekonten, auf die wir bis auf Weiteres keinen Zugriff haben und die deshalb wir nicht in die Berechnung der effektiven monatlichen Entnahmerate einbeziehen. Zudem rechnen wir nicht mit einer jährlichen Entnahmerate von 4%, sondern mit 3.85%. Die effektive monatliche Entnahmerate beträgt deshalb 813 Franken.
  3. Das einfachste Aktienportfolio, mit dem du trotzdem die Mehrheit aller Anleger schlägst
    Bevor ich dir in einem späteren Artikel zeige, in welche Aktien wir investieren, zeige ich hier die einfachste Variante eines Portfolios. Sie besteht aus nur einem einzigen passiven Index-Fonds und kann sehr einfach umgesetzt werden. Unser Portfolio, das ich später zeigen werde, ist nach dem gleichen Grundprinzip aufgebaut (nur in mehrere ETFs aufgegliedert).
  4. Das «Sequence of Returns Risk» und warum es uns hart getroffen hat
    Ein Aktiencrash zu Beginn der Entnahmephase ist deutlich schlechter, als ein paar Jahre später. Praktisch unmittelbar nach der Kündigung unserer Vollzeitjobs hat es uns hart getroffen. Ich zeige dir hier wie hart und wie wir darauf reagieren können.
  5. 4-Prozent-Regel 2.0 – wie viel passives Einkommen unser Aktienportfolio effektiv generiert
    Die 4-Prozent-Regel als Faustregel, wie viel Einkommen dein Aktienportfolio abwirft, habe ich schon ein paar Mal erwähnt. In diesem Beitrag stelle ich dir die konkrete Entnahmestrategie vor – da die 4-Prozent-Regel nur eine Faustregel ist.

Los geht’s mit dem ersten Teil

Wenn wir mit jemandem über unser Vorhaben sprechen, die Schweiz unbefristet zu verlassen, geht es spätestens bei der zweiten Frage um die Finanzen.

„Ah ja? Wie macht ihr das finanziell? Habt ihr schon einen Job da? Oder wie lange reicht euer Erspartes?“

„Hm, mal schauen“, antworte ich dann in der Regel. „Wir wissen nicht genau, wie lange unsere Ersparnisse reichen. Wir sind aber ziemlich genügsam und brauchen nicht so viel.“

Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. Manchmal weiss man aber nicht, ob das Gegenüber die nackte Wahrheit verkraftet, wenn sie ihm bereits im zweiten Satz des Gesprächs von einem dreissigjährigen Schnösel direkt ins Gesicht gepfeffert wird. Deshalb bin ich da jeweils lieber ein bisschen vorsichtiger.

In diesem Blog darf ich aber ehrlich sein:

Der Plan ist, dass wir ab jetzt für den Rest unseres Lebens von unserem Ersparten zehren können, ohne dass wir je wieder für Geld arbeiten müssen.

„Haha, ja genau“, höre ich meistens, wenn ich doch jemandem von diesem Plan erzähle, „habt ihr im Lotto gewonnen? Oder ein paar Millionen geerbt?“

Wir haben weder im Lotto gewonnen, noch haben wir etwas geerbt. Wir haben zusammen im Vergleich zu anderen Paaren nicht einmal mehr Geld verdient. Das ist alles auch gar nicht nötig.

Denn die Wahrheit ist (Achtung, shocking News!):

Man braucht keine Millionen, um nicht mehr arbeiten zu müssen.

Die 4-Prozent-Regel

OK, keine Millionen. Aber wie viel braucht man dann? Nun, das ist natürlich sehr individuell, es gibt aber eine einfache Faustregel.

Zuallererst musst du wissen, wie viel Geld du im Jahr ausgeben möchtest. Die jährlichen Ausgaben kannst du dann einfach mit 25 multiplizieren. Das Resultat ist das benötigte Vermögen, das du in ein Aktienportfolio investierst.
Die Vergangenheit hat nämlich gezeigt, dass aus diesem Portfolio jährlich 4 Prozent entnommen werden können, ohne dass es schrumpft (daher die Multiplikation der jährlichen Ausgaben mit 25).1

Möchtest du als finanziell unabhängige Person also beispielsweise 8’000 Franken monatlich ausgeben, wären das jährlich 96’000. Multipliziert mit 25 ergibt das ein benötigtes Vermögen von 2’400’000 Franken.

„Hä? Aber du hast doch gesagt, man braucht keine Millionen?“, wird der aufmerksame Leser einwerfen.

Ganz recht, braucht man nicht. Aber man braucht ja auch keine 8’000 Franken monatlich für ein glückliches und erfülltes Leben! Das musste ich allerdings auch erst einmal lernen und am eigenen Leib erfahren.

Finanzielle Unabhängigkeit vor dem gesetzlichen Rentenalter

Spulen wir zurück ins Jahr 2011. Ich war im zweiten Jahr meiner Berufstätigkeit und habe langsam realisiert, dass man mit einem Schweizer Einkommen während vier Jahrzehnten Berufsleben fast zwangsläufig ein ziemlich grosses Vermögen aufbauen wird. Man hört ja auch an jeder Ecke, dass die AHV und die berufliche Vorsorge nicht den kompletten Betrag abdecken wird, der während der Rente benötigt wird, und dass privates Sparen deshalb unerlässlich ist.

Auf der Bank gibt es jedoch kaum Zins und man will ja auch nicht, dass die Inflation das gesamte Vermögen später Jahr für Jahr auffrisst. Deshalb habe ich begonnen, mich über die Aktienmärkte zu informieren und erste Investitionen zu tätigen. Nicht, weil ich ein grosses Vermögen hatte, sondern eher um mich auf die späteren Jahre vorzubereiten, wenn ich mehr verdienen würde. Ich wollte über die Aktienmärkte selber Bescheid wissen und mein Geld später nicht einem Vermögensberater anvertrauen müssen. Schliesslich wurde das Image der Finanzbranche in der globalen Finanzkrise zwei Jahre zuvor auch nicht gerade verbessert.

Das Ziel war damals nie, von den Erträgen leben zu können, die ich an den Aktienmärkten erwirtschaftete. Darüber habe ich gar nicht nachgedacht und ich hielt es auch nicht für realistisch. Ich habe einfach regelmässig mein Aktienportfolio bespart, statt ein Bankkonto, ohne irgendwelche konkreten Zahlen oder Ziele im Kopf zu haben.

Stimmt nicht ganz: Meine erste Idee war, mir von den ersten 20’000 Franken, die ich an Kursgewinnen einnehme, ein Auto zu kaufen. Zum Glück hatte ich, bis es soweit war, genügend Zeit, darüber nachzudenken, ob das wirklich eine gute Idee ist, und habe es schliesslich nicht in die Tat umgesetzt!

Über das Konzept der finanziellen Unabhängigkeit dank Aktieninvestments bin ich erst 2016 gestolpert und es hat mich sofort angesprochen. Damals kannte ich die 4-Prozent-Regel aber noch nicht und meine Renditevorstellungen waren noch nicht sehr realistisch. Mein erster Plan als 27-jähriger lautete:

Ich möchte, bis ich 40 Jahre alt bin, 1’200’000 Franken sparen. Dazu muss ich 13 Jahre lang monatlich 2’500 Franken in mein Aktienportfolio investieren und ich rechne mit einer jährlichen Rendite von 12 Prozent. Wenn ich die 1’200’000 Franken beisammen habe, beziehe ich daraus eine monatliche Rente von 8’000 Franken (8 Prozent jährlich).

27-jähriger, naiver Roli

Ich wusste schon damals, dass diese Renditen eher optimistisch sind. Das war teilweise auch Absicht, da es mich zusätzlich etwas motivieren sollte, meine Sparbeiträge zu erhöhen, wenn sich der Wert des Portfolios nicht wie geplant entwickelte.

In den drei Jahren von 2016 bis 2019 habe ich mich mehr mit der Thematik auseinandergesetzt und meine Renditevorstellungen schrittweise an die Realität angepasst.

Die Realität lautet:

  • Man kann mit etwa 6 Prozent jährlicher Rendite (real, also nach Inflation) rechnen und nicht mit 12 Prozent.
  • Aus dem Portfolio können jährlich 4 Prozent des Vermögens bei Rentenbeginn entnommen werden und nicht 8 Prozent.2

Gleichzeitig habe ich auch den Wunschbetrag der Rente, die dann entnommen werden kann, reduziert und meine monatliche Sparrate erhöht, so dass das Ziel trotzdem bis zum Alter von 40 Jahren erreicht werden kann.

Der Plan vor einem Jahr, ausgehend vom damaligen Vermögen, lautete dann etwa:

Ich möchte, bis ich 40 Jahre alt bin, 1’500’000 Franken sparen. Dazu muss ich 11 Jahre lang monatlich 5’000 Franken in mein Aktienportfolio investieren und ich rechne mit einer jährlichen Rendite von 6 Prozent. Wenn ich die 1’500’000 Franken beisammen habe, beziehe ich daraus eine monatliche Rente von 5’000 Franken (4 Prozent jährlich).

29-jähriger, realistischer Roli

Dies wäre ein realistischer Plan für einen durchschnittlichen Schweizer und aus meiner Sicht insgesamt ein lohnenswertes Ziel.

Wie wir heute wissen, war dieser Plan aber doch nichts für uns und wir haben haben ihn nicht allzu lange verfolgt. Auch wenn wir beide unsere Arbeit im Grunde mögen, konnten wir nicht noch einmal zehn Jahre so weiter machen wie bisher. Wir hatten einfach keine Lust mehr auf die Fremdbestimmtheit und die Arbeitszeiten, die auch mit Gleitzeitsaldo doch ziemlich starr sind.

Ausserdem möchten wir irgendwann eine Familie gründen und ich als Vater würde mein Kind nicht einfach nur abends nach der Arbeit ins Bett bringen wollen, sondern ich würde gerne mehr Zeit mit ihm verbringen. Eine Zukunft, in der sich beide Elternteile um den Nachwuchs kümmern können, spricht auch Anika an. So konnte ich sie nach und nach auch stärker für die Idee begeistern. Die Aussicht, unsere Kinder nur zwischen Kinderkrippe und Grosseltern hin und her zu chauffieren und dann selber schleunigst zur Arbeit zu fahren, entspricht nicht unserer Vorstellung von einem guten Leben.

Einmal Finanzielle Unabhängigkeit zum Mitnehmen bitte

Es musste also irgendwie schneller gehen. Mittlerweile hatten wir unsere gemeinsamen Ausgaben auf etwa 3’800 Franken pro Monat gesenkt und mit etwas Kreativität könnten wir in der Schweiz wahrscheinlich ein gutes Leben mit nur 2’500 Franken pro Monat führen. Das war für uns vor ein paar Jahren absolut unvorstellbar und wir hätten jeden, der uns so etwas erzählt hätte, ausgelacht. In den letzten Jahren haben sich unsere Prioritäten aber geändert und wir haben erkannt, dass die für uns wirklich wichtigen Sachen im Leben kaum Geld kosten.

Für ein monatliches Einkommen von 2’500 Franken würden wir nun also nur noch ein Vermögen von 750’000 Franken benötigen (statt ein Vermögen von 1’500’000 Franken für 5’000 Franken Einkommen). Eine schnelle Hochrechnung unseres Vermögenszuwachses zeigte, dass wir dieses Ziel schon in etwa vier Jahren erreichen könnten.

„Hmm, schon besser“, dachten wir. „Aber ist immer noch ganz schön lang!“. Ein anderer Plan musste also her.

Da die Schweiz bekanntlich eines der teuersten Länder der Welt ist, haben wir begonnen, ein paar Blicke über die Landesgrenze zu werfen. Dabei haben wir folgende Erkenntnis gewonnen, die alles änderte:

Das aktuelle monatliche Einkommen, das unser Aktienportfolio generiert, übersteigt das monatliche Durchschnittseinkommen von 65 der 94 Länder, die auf numbeo.com zu finden sind. Natürlich hat es da auch einige Länder darunter, die uns nicht besonders ansprechen, in anderen könnten wir uns aber schon vorstellen, eine Zeit lang zu leben.

Der Entschluss war also schnell gefasst: Höchste Zeit, den Rucksack zu packen!

Aktueller Plan mit konkreten Zahlen

Unser finanzielle Masterplan für die kommenden Jahre ist schlussendlich denkbar simpel.

Unser aktuelles Vermögen beträgt rund 340’000 Franken3. Dies generiert gemäss 4-Prozent-Regel ein monatliches Einkommen von etwa 1’100 Franken. Bis ans Ende unseres Lebens. Ohne einer bezahlten Arbeit nachgehen zu müssen.

Zwei einfache Regeln, die wir zu befolgen haben:

  • Wir halten die monatlichen Ausgaben unter 1’100 Franken.
  • Falls wir mehr ausgeben wollen als das, erwirtschaften wir den Betrag, der die 1’100 Franken übersteigt, ganz klassisch durch bezahlte Arbeit.

Wann wir diesen Plan wieder über den Haufen werfen, wissen wir nicht. Wir haben aber ein für unsere Begriffe sehr komfortables Polster, das uns die Freiheit und Flexibilität bietet, die wir uns in unserer aktuellen Lebensphase wünschen. Zumindest in Südamerika, unserem ersten Reiseziel, werden wir mit dem monatlich verfügbaren Betrag gut zurechtkommen.

Wie würdest du dein eigenes Leben gestalten, wenn jeden Monat 1’100 Franken auf dein Konto fliessen würden, ohne dass du dafür arbeiten müsstest?

Wie gross müsste dein Vermögen sein, damit du gemäss 4-Prozent-Regel nicht mehr arbeiten müsstest? Wie lange müsstest du sparen, um dieses Ziel zu erreichen (einen guten Sparrechner findest du hier)?

1 Dies wurde 1998 in einer bekannten amerikanischen Studie namens Trinity Study untersucht. Die abgeleitete Entnahme-Strategie wird in der Praxis oft nicht in dieser einfachen Form umgesetzt, als Faustregel ist sie aber gut geeignet.

2 Die jährliche Entnahme darf jährlich um die Inflation erhöht werden. Die anfängliche Kaufkraft bleibt also über die gesamte Rentendauer erhalten.

3 In diesem Betrag ist auch das Kapital der beruflichen Vorsorge enthalten (ca. 40’000 Franken). Je nach dem, in welchem Land wir uns schlussendlich niederlassen werden, könnten wir uns dieses Kapital auszahlen lassen oder nicht. Bis auf Weiteres haben wir keinen Zugriff darauf und das Vermögen, mit welchem wir im Moment in Wirklichkeit kalkulieren, ist deshalb etwas tiefer. Für den groben Überblick unseres Plans hier soll dies aber keine Rolle spielen.