Im letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie wir dank finanzieller Unabhängigkeit unbefristet die Welt bereisen möchten. Ich habe vorgerechnet, wie wir mit unserem heutigen Vermögen von rund 340’000 Franken bis ans Ende unseres Lebens monatlich etwa 1’100 (oder jährlich 13’600 Franken) ausgeben können, ohne dass unser Aktiendepot schrumpft.

Einige haben es im Alter von dreissig Jahren bereits zu Millionen gebracht, andere sind verschuldet. Der Grossteil der Schweizer Bevölkerung gibt aber einfach etwa den Betrag aus, der eingenommen wird. Vielleicht werden mal ein paar tausend Franken temporär für eine grössere Anschaffung zur Seite gelegt, längerfristig wird aber in der Regel fast alles ausgegeben, das eingenommen wird.

Bei uns war das auch so. Ende des Jahres blieb meistens ein vierstelliger oder, wenn es hoch kommt, tiefer fünfstelliger Betrag übrig. Besser als nichts, aber wenn man bedenkt, dass unser gemeinsames Einkommen wie bei vielen anderen Schweizer Paaren immerhin sechsstellig war, war es schon nicht sehr viel. Wofür soll man jedoch sparen? Wir waren jung, unsere Jobs sicher und wir wollten unser Leben jetzt leben und auf nichts verzichten, das wir gerne haben oder unternehmen wollten.

Dann begannen wir, darüber nachzudenken, wie unser Leben als finanziell Unabhängige aussehen könnte, die von den Erträgen ihrer Investitionen leben können, ohne aktiv für ein Einkommen arbeiten zu müssen. Sofort hatten wir viele inspirierende Visionen im Kopf und deshalb angefangen, unsere Ausgaben zu überdenken.

Statt ausgehend von unserem Einkommen unsere Ausgaben zu budgetieren, so dass wir am Schluss noch etwa 10 Prozent davon sparen können, haben wir unsere Ausgaben komplett vom Einkommen entkoppelt.

„Ach, das wäre cool. Ist es mir diesen Betrag aber wirklich wert und brauche ich es wirklich?“, fragten wir uns fortan bei jeder Ausgabe, auch wenn wir es uns problemlos hätten leisten können. Dadurch bleibt nicht nur mehr Geld auf dem Konto, sondern wir halsen uns so auch kein Zeug auf, das uns nach ein paar Wochen eh nur noch nervt und im Weg ist. Doppelt gewonnen. Dies gilt nicht nur für Gegenstände, sondern wir möchten beispielsweise auch nicht unsere CO2-Bilanz mit einem Ausflug belasten, der es uns nicht wirklich wert ist.

Klingt nur nach einer kleinen Änderung. Für uns hat sie dieses Jahr aber einen viel grösseren Unterschied gemacht, als wir es uns je hätten träumen können.

Einen sechsstelligen Betrag mehr auf dem Konto als letztes Jahr

Im Jahr 2019 haben wir nämlich über 104’000 Franken gespart. Unsere gemeinsamen Einnahmen nach Steuern betrugen 155’000 Franken. Demgegenüber stehen Ausgaben von 51’000 Franken. Wir haben damit nach Steuern eine Sparquote von 67 Prozent erreicht.

Sparquote 2019

OK. Ich habe etwas geschummelt. Unser Einkommen nach Steuern betrug nicht wirklich 155’000 Franken.

In den 155’000 Franken sind nämlich auch die diesjährigen Erträge unserer Aktieninvestments enthalten – rund 30’000 Franken. Die Erträge bestehen aus 4’311 Franken Dividenden und etwa 25’000 Franken Kursgewinnen1. Es war also ein ausgesprochen gutes Börsenjahr, obwohl schon lange der nächste Crash heraufbeschworen wird. Nicht, dass der nächste Crash nicht kommen wird – er wird kommen. Nur weiss niemand, wann. Wer dieses Jahr – nach dem eher schlechten 2018 – aus Angst nicht investiert war, wird sich jetzt vermutlich ärgern.

Uns lassen die Renditen eines einzelnen Jahres kalt. Uns interessiert nur, dass unsere Investments langfristig durchschnittlich um etwa 6 Prozent wachsen werden. Dass die Rendite dieses Jahr deutlich besser war, ändert unsere Pläne nicht. Genau so, wie es unsere Pläne nicht ändert, wenn es talwärts geht. Wir bleiben investiert, komme was wolle.2

Auch wenn wir die diesjährigen Erträge von 30’000 Franken nicht als Einkommen zählen, ist es trotzdem schön zu sehen, wie die Investments der letzten Jahre nun langsam immer grössere Früchte tragen.

„Alles klar, danke für den Exkurs, du eiskalter Investment-Routinier. Wie sehen denn eure Einnahmen und Ausgaben jetzt ohne das Aktienportfolio aus?“, wirst du jetzt vielleicht fragen.

Vielleicht auch nicht. Ich zeig’s dir trotzdem.

Unser gemeinsames Arbeitseinkommen betrug nach Steuern etwa 125’000 Franken. Ziehen wir unsere Ausgaben von 51’000 ab, bleiben immer noch stolze 74’000 Franken übrig. Das entspricht einer Sparquote von 59 Prozent.

Sparquote 2019 ohne Investment-Erträge

74’036 Franken gespart, das ist ein Vielfaches unserer Sparraten aus früheren Jahren. Dabei haben wir weder mehr verdient als früher, noch haben wir auf irgend etwas verzichtet, das wir wirklich gerne gehabt oder gemacht hätten. Mir ist ein Rätsel, wohin das ganze Geld in vergangenen Jahren geflossen ist.

Bedenken wir nun noch, dass wir nicht einmal das ganze Jahr gearbeitet haben. Anika hat nur bis Ende Oktober gearbeitet und das sogar nur Teilzeit: von Januar bis Ende August hatte sie ein 80-Prozent- und ab September nur noch ein 60-Prozent-Pensum. Und ich hatte schon Ende November meinen letzten Arbeitstag dieses Jahr. Hätte Anika dagegen das ganze Jahr 80 Prozent gearbeitet und ich im Dezember nicht schon frei gehabt, hätten wir ziemlich locker noch mindestens 10’000 Franken mehr zur Seite gelegt.

Noch einmal zu Veranschaulichung:

Unser gemeinsames Einkommen von etwa 125’000 Franken nach Steuern entspricht etwa 140’000 Franken ausgezahltem Lohn. Also 70’000 pro Person. Geteilt durch 13 Monatslöhne ergibt das etwa 5’400 Franken Nettolohn pro Monat pro Person. Ich bin sicher, viele, die das lesen, haben dieses Jahr mehr verdient als wir.

Wofür wir unser Geld ausgegeben haben

Über das ganze Jahr verteilt haben wir also etwas mehr als 51’000 Franken rausgeballert. Ich sage bewusst „rausgeballert“, denn wir sind noch lange nicht an dem Punkt, dass wir sagen können, dass jeder Franken für uns einen entsprechenden Gegenwert in unser Leben gebracht hat. Viele der Ausgaben waren immer noch ziemlich sinnfrei und unnötig.

Die Ausgaben von 51’230 Franken geteilt durch zwölf Monate entsprechen durchschnittlichen monatlichen Ausgaben von 4’269 Franken.

Diese gliedern sich in folgende Kategorien auf:

Durchschnittliche monatliche Ausgaben 2019

Wohnen: 1’530 Franken

Unsere 3.5-Zimmer-Wohnung in Frauenfeld mit 78 m2, die wir bis Ende November bewohnten, kostete 1’570 Franken monatlich. Im Gesamtbetrag von 1’530 Franken in dieser Kategorie sind auch unsere Stromrechnung von etwa 450 Franken und ein paar weitere kleinere Ausgaben enthalten.

Essen: 745 Franken

Enthält unsere Lebensmitteleinkäufe und ein paar wenige Restaurantbesuche (zwei bis drei pro Monat). Da Anika jeden Tag in der Filiale eines Lebensmitteldiscounters arbeitete, sind hier bestimmt ein paar Franken mehr zusammengekommen, als wenn wir fürs Einkaufen jeweils extra in einen Laden hätten gehen müssen.

Mobilität: 231 Franken

Hauptsächlich das ÖV-Abo für meinen Arbeitsweg zwischen Frauenfeld und Zürich. Zusätzlich ein paar wenige Einzelbillette.

Spenden: 330 Franken

Für den Verein Pro Pomasqui, für welchen wir nächstes Jahr ehrenamtlich arbeiten werden, und für unsere guten Freunde Oli und Pati, die die Schweiz vor zwei Jahren verliessen, um sich komplett in den Dienst hilfsbedürftiger Menschen zu stellen.

Bildung: 78 Franken

Ein Ausweis für die Kantonsbibliothek Frauenfeld, ein paar E-Books und unser kommender Spanischkurs in Quito. In früheren Jahren haben wir alle E-Books gekauft, statt die Bibliothek zu nutzen, und wir haben hierfür deshalb früher ein paar hundert Franken jährlich mehr ausgegeben.

Versicherungen: 237 Franken

Die günstigste Krankenkasse mit Hausarzt-Modell und 2’500 Franken Franchise. Anika konnte zudem die Prämienverbilligung in Anspruch nehmen.

Aktivitäten: 200 Franken

Allerlei Freizeitaktivitäten, die Geld kosteten. Beispielsweise einige Squash- oder Badminton-Sessions, ein Halbjahres-Abo fürs Schwimmbad, ein Kraul-Kurs und das eine oder andere Feierabendbier.

Internet & Handy: 139 Franken

Unsere Internet-Leitung für 40 Franken, mein Handy-Abo für 20 Franken, Anikas unlimitiertes Handy-Abo für 46 Franken, Netflix für 12 Franken, Google Drive für 8 Franken und Google Music für 12 Franken.

Reisen: 392 Franken

Unsere hier aufgeführten Reisen nach Malta und Berlin. In dieser Kategorie sind nur die Mobilitäts- (Flüge und Benzin) und Übernachtungskosten enthalten. Essen und Aktivitäten sind in ihren eigenen Kategorien untergebracht.

Zusätzlich sind auch unsere kommende Zugfahrt nach Madrid und die Flüge nach Quito vom nächsten Jahr schon hier verbucht.

Unser Roadtrip nach Berlin im September war fast umsonst, da wir in Berlin bei Anikas Familie wohnen konnten und für die Fahrt den VW Sharan meiner Eltern ausleihen durften. Unterwegs haben wir umsonst im Kofferraum des Autos geschlafen – auf traumhaften Stellplätzen, die auch nicht schöner hätten sein können, wenn man dafür bezahlt hätte (jeweils gefunden über die App park4night).

Wunderschöner, ruhiger Gratis-Stellplatz direkt am Wasser!

Anderes: 387 Franken

Alles, das in keine der anderen Kategorien passt. Beispielsweise Geschenke, Billag, Kontoführungsgebühren, Kleidung, Briefporti, Ricardo.ch-Gebühren, Haushaltsartikel, ein paar Zahnarztbesuche oder der Kitebag, den ich gestern bestellt habe.

Habe ich meinen Mund zu voll genommen?

Die obere Aufstellung sieht zwar schon viel besser aus als in vergangenen Jahren, es gibt aber noch viel Fett, das abtrainiert werden kann!

Das grösste Sparpotenzial gibt es bei uns, wie bei den meisten anderen vermutlich auch, bei den grossen Punkten wie den Wohn-, Essens- oder Mobilitätskosten.

Im letzten Beitrag über unseren finanziellen Masterplan habe ich stinkfrech die Behauptung aufgestellt, wir könnten in der Schweiz ein gutes Leben mit nur 2’500 Franken monatlich führen.

Schauen wir mal, ob ich meinen Mund zu voll genommen habe, oder ob wir die letztjährigen monatlichen Ausgaben von 4’269 auf 2’500 Franken reduzieren können!

Wohnen:

Unsere 3.5-Zimmer-Wohnung war viel zu gross! Unser drittes Zimmer haben wir nie benutzt (die Nutzung als Abstellraum zählt selbstverständlich nicht).

Würden wir in der Schweiz bleiben, würden wir also sicher eine kleinere Wohnung mieten. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Frauenfeld würde etwa 1’200 Franken kosten.

Einsparung: 370 Franken.

„Halt, stopp!“, würde einer von uns beiden einwerfen. Mittlerweile sind wir grosse Freunde des Was-wäre-wenn-Spiels geworden und spinnen einen Faden gerne noch etwas weiter. „Brauchen wir denn wirklich eine klassische Wohnung? In Australien haben wir ein halbes Jahr im Camper gelebt und es hat uns an nichts gefehlt. Wieso ziehen wir nicht in einen Camper um?“

Es gibt immer mehr Leute, die permanent in einem Van leben, und für uns wäre das auf jeden Fall auch eine denkbare Variante.

Laufende Kosten pro Monat:

  • Versicherung: 40 Franken im Monat
  • Benzin: je nach zurückgelegten Distanzen, sagen wir mal 50 Franken
  • allenfalls ein Stellplatz irgendwo: 50 Franken
  • Unterhalt und Reparaturen: 100 Franken
  • Steuern: 25 Franken

Gibt in der Summe 265 Franken, runden wir mal auf 300 auf.

Einsparung gegenüber 1’530 Franken: 1’230 Franken

Essen:

Unsere Hauptmahlzeiten sind in der Regel ziemlich günstig. Sie bestehen hauptsächlich aus frischem Gemüse und Vollkorn-Pasta, -Reis oder Linsen. Kein Fleisch und auch sonst keine vergleichsweise teuren tierischen Produkte. Die aktuellen Ausgaben von 745 Franken sind nur so hoch, weil wir schwach sind und viele ungesunde Snacks kaufen und verdrücken und ab und zu doch auch zu faul sind, selber zu kochen.

Ich habe einmal ausgerechnet, dass für eine ausgewogene, gesunde, pflanzenbasierte Ernährung in der Schweiz 100 Franken pro Person pro Monat reichen. Total also 200 Franken.

Einsparung gegenüber 745 Franken: 545 Franken

Ups! Da sind wir ja schon von 4’269 Franken auf 2’494 Franken gefallen!

Ist aber auch unfair, dass ich vorher nicht erwähnt habe, dass wir uns vorstellen könnten, in so einem hippen Van zu leben, damit war unser kleines Spiel ja schon fast gewonnen.

Wir müssen eigentlich nicht mehr weiter rechnen. Nur ganz grob die weiteren Punkte, die wir gut einsparen könnten:

  • Mobilität: Die 231 Franken würden fast komplett wegfallen, da ich künftig nicht mehr zwischen Frauenfeld und Zürich pendeln würde. Ich würde mir einen Job in Fahrraddistanz suchen oder von zu Hause aus arbeiten. Wenn ich gar nicht mehr arbeiten würde, müsste ich natürlich auch nicht mehr pendeln.
  • Spenden: Würden wir ungern streichen oder reduzieren, aber ausser 50 Franken für eine Kinderpatenschaft ist der komplette Betrag optional.
  • Internet & Handy: Internet zu Hause würden wir vermutlich streichen und über das Handy-Abo surfen.

Das wären nochmal Einsparungen von etwa 535 Franken. Damit landen wir bei Ausgaben von 1’959 Franken monatlich für zwei Personen!

Natürlich ist das nur eine theoretische Rechnung und wir haben es nicht in die Tat umgesetzt. Vermutlich bräuchte es auch eine gewisse Zeit, bis man sich an die neuen Lebensumstände gewöhnt hat. Ich bin aber überzeugt, dass die Lebensqualität durch die Reduzierung des Überflüssigen nur verbessert und nicht verschlechtert würde.

Und jetzt?

Auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört: es geht hier darum, ein glücklicheres und erfüllteres Leben zu führen, und nicht, sich einzuschränken, bis das Leben überhaupt keinen Spass mehr macht. Durch das Weglassen des ganzen Ballasts wollen wir freier werden. Wir fühlen uns wohler ohne den ganzen materiellen Besitz, der uns einschränkt. Ebenso fühlen wir uns wohler, wenn wir nicht auf zwei Vollzeit-Stellen angewiesen sind, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Jeder muss also selber abwägen, was ihm wichtiger ist: im Luxus zu schwelgen und dafür mindestens bis 65 jeden Wochentag auf Arbeit zu gehen (so dass gar keine Zeit bleibt, den Luxus auch zu geniessen) oder lernen, mit weniger finanziellen Mitteln ein gutes Leben zu führen.

Dass man nicht mehr arbeiten muss, heisst auch nicht, dass man es nicht mehr darf. Würde ich auch nie empfehlen, denn wir brauchen eine Aufgabe. Wenn das Geld keine Rolle mehr spielt, ist man jedoch freier in der Wahl, welche Arbeit man ausführen möchte und zu welchen Konditionen.3 Mit einem gewissen finanziellen Polster begegnet man dem Arbeitgeber auch plötzlich auf Augenhöhe und ist nicht mehr von seiner Gnade abhängig, wenn man gerne einen unbezahlten Urlaub machen oder sein Pensum auf 80 Prozent reduzieren möchte. Nicht ohne Grund wird dieses finanzielle Polster auch gerne als „FU-Money“ bezeichnet.

Weisst du, wie viel Geld du jeden Monat ausgibst?

Kennst du deine monatliche Sparquote? Wusstest du, dass du mit unserer diesjährigen Sparquote von 60 Prozent nach nur 12 Jahren aufhören könntest, zu arbeiten?

1 Zusätzlich ist auch unser Kapital in der 3. Säule, das ebenfalls zu 97 Prozent in Aktien angelegt ist, um 10’000 Franken gestiegen (reine Kursgewinne; wir haben dieses Jahr nichts eingezahlt).

2 Bis jetzt haben wir noch keinen Crash durchgemacht und wissen noch nicht, was mit uns passiert, wenn wir die Hälfte unseres Vermögens oder mehr innert wenigen Monaten verlieren. Wir werden sehen, ob es uns wirklich kalt lässt und wir keine Panikverkäufe tätigen. Man darf gespannt sein.

3 Das können natürlich auch eigene oder ehrenamtliche Projekte sein, ganz ohne Bezahlung.