Meine Finger sind kalt und steif. Ich sitze gerade in unserer Garage. Die ist unser aktuelles Zuhause. Das Thermometer zeigt 12 Grad. Drinnen. Ab und zu pfeift eine kühle Böe durch das zerbrochene Fensterglas.

Seit wir im April mit unserem Sanierungsprojekt in der Nähe der Ostsee begonnen haben, ist das meiste nicht ganz so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Es gab deutlich mehr zu reparieren als erwartet und die Preise von Bauholz und anderem Baumaterial sind förmlich explodiert – wenn überhaupt verfügbar.

Ein Beispiel einer Reparatur, die wir in diesem Umfang überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, bevor das Dachgeschoss entkernt war: die grosse Dachgaube war komplett im A**** und musste abgesehen vom Firstbalken komplett neu aufgebaut werden (links: vorher, rechts: Neubau in Arbeit)
Dass wir ein neues Dach brauchen werden, wussten wir schon beim Kauf. Allerdings hatten wir nicht mit dem Materialmangel und den deutlich höheren Materialkosten gerechnet. Schlussendlich haben wir alleine mit den Materialkosten den Betrag erreicht, den wir für die ganze Dachsanierung inkl. Arbeitsaufwand kalkuliert hatten.

Eigentlich wollten wir bis zum jetzigen Zeitpunkt das ganze Projekt abgeschlossen haben. Aber die Realität sieht anders aus.

Noch keine der Wohnungen ist bezugsbereit.

Und wir sind pleite.

Wir haben bis jetzt über 300’000 Euro aus unserem Aktienportfolio in das Haus gesteckt – also praktisch alles. Und entgegen unserer Erwartungen haben wir auch noch keine Bank gefunden, die uns Geld für dieses Haus geben will.

Neben dem Sanierungsprojekt läuft es in den letzten Monaten auch nicht wirklich rund:

  • Anikas Oma ist im Sommer ihrem Krebsleiden (deswegen sind wir ja aus Südamerika zurückgekehrt) erlegen. Das war nicht überraschend, aber natürlich trotzdem sehr traurig.
  • Unser Hund «Smiley», der uns aus Ecuador nach Europa begleitet hat, leidet an einem bisher nicht identifizierbaren Geschwulst in der Nase, das sein Leben immer stärker beeinträchtigt. Aufwendige und teure Untersuchungen blieben ohne klare Diagnose. Der einzige Weg vorwärts ist eine riskante Operation, um die Wucherung zu entfernen. Auch wenn diese erfolgreich verläuft, wissen wir aber trotzdem noch nicht, ob die Sache damit erledigt ist.
  • Unser Van, den wir erst vor wenigen Monaten gekauft haben und den wir zu einem Wohnmobil ausbauen wollen, hämmerte vor einiger Zeit plötzlich sehr unschön unter der Motorhaube. Das vernichtende Urteil des Automechanikers: «Motorschaden! Verkauf‘ die Karre, solange du noch was dafür kriegst!»
  • Im Mai hatten wir einen Hochzeitstermin beim Standesamt. Den haben wir verschoben – es hatte einfach nicht gepasst. Wann werden wir nun heiraten? Keine Ahnung.

Wir erleben gerade die stressigsten Monate unseres Lebens.

Interessanterweise sind wir trotzdem zufriedener denn je.

Wie das?

Das habe ich mich oft selber gefragt.

Kennt ihr auch noch die Freundschaftsbücher, die man in der Grundschule im Freundeskreis herumreichte, worin man steckbriefartige Fragen beantworten konnte?

Eine Frage lautete immer: «Dein Lebensmotto?»

Was soll denn ein 8-Jähriger bitte für ein Lebensmotto haben?! Was für ein Blödsinn.

Als ich diese Frage in einem Freundschaftsbuch zum ersten Mal beantworten durfte, hatte ich natürlich keine Ahnung, was ich schreiben soll. Da erinnerte ich mich, dass im Arbeitszimmer meiner Eltern verschiedene Postkartensprüche an einem Schrank hingen.

Willkürlich suchte ich einen davon aus, den ich fortan für alle Freundschaftsbücher meiner Kameraden als „mein Lebensmotto“ verwendete:

«Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.»

Da ich diesen Spruch oft niederschrieb (ja sichi, ich hatte tausende Freunde), dachte ich auch ab und zu darüber nach.

Aber ich dachte immer falsch darüber nach!

Mein Fokus lag immer auf dem zweiten Teil des Spruchs: auf schönen Tagen.

Und ich habe immer mehr versucht, schöne Tage zu gestalten.

Mittlerweile habe ich begriffen: der erste Teil des Satzes ist der wichtige. Hier liegt der Schatz begraben!

Ob dein Tag schön ist oder nicht, liegt einzig und allein an deiner Entscheidung. Es ist völlig irrelevant, was passiert und wie der Tag abläuft.

Einem Tag die Chance zu geben, der schönste deines Lebens zu werden, bedeutet, einfach zu entscheiden, dass es der schönste Tag sein soll.

Genau deswegen sind wir im Moment auch sehr glücklich, auch wenn vieles alles andere als optimal läuft: Glück und Zufriedenheit ist nichts weiter als eine Entscheidung.

Wenn du dein Glück von irgendwelchen äusseren Einflüssen abhängig machst, wird es immer vor deiner Nase baumeln wie die Karotte am Stock vor dem Maul des Esels, ohne dass du ihm auch nur ein kleines bisschen näher kommst.

Wenn X eintrifft, wovon du davor dachtest, dass es dich glücklich machen wird, merkst du, dass dir jetzt Y fehlt. Und so geht es immer weiter – und dieses Alphabet endet nicht bei «Z», sondern ist endlos.

Du brauchst weder X noch Y noch Z für den schönsten Tag deines Lebens.

Ich sitze hier mit Mütze, Jacke und Thermounterwäsche in unserer Garage und mein Atem dampft. Meine linke Hand pocht und schmerzt, weil mich vorhin ein Hund gebissen hat. So what?! Das ist der schönste Tag meines Lebens. Weil ich das so entschieden habe.

Ich habe keine Ahnung, wie wir den Rest der Sanierung bezahlen sollen, wenn uns auch die nächste Bank eine Abfuhr erteilt. So what?! Das ist der schönste Tag meines Lebens.

Gleich geh‘ ich raus und putze mir die Zähne. An einem Wasserkanister. So versorgen wir uns gerade mit Wasser. Und das wird auch morgen so sein. Klingt irgendwie ziemlich traurig.

Und trotzdem wird morgen der schönste Tag meines Lebens – das weiss ich jetzt schon.

PS: Natürlich werden wir euch nicht vorenthalten, wie stark wir uns finanziell wirklich die Finger an diesem Sanierungsprojekt verbrannt haben. Alle Zahlen werden schonungslos offengelegt – auch wenn es noch so weh tut. Nur können wir das noch gar nicht sagen, es ist noch zu viel ungewiss. Stay tuned für Updates. Trage deine E-Mail-Adresse im Formular unten (Smartphone) bzw. rechts (Desktop) ein und erfahre es vor allen anderen. Um uns zu trösten oder um mit dem Finger auf uns zu zeigen – das bleibt dir überlassen.

PPS: Glücklicherweise haben wir nicht auf die pessimistische Automechaniker-Pfeife mit der Motorschaden-Diagnose gehört und noch ein paar weitere Meinungen eingeholt – es ist nun wohl doch nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Kein Motorschaden.

PPPS: Gib dem heutigen Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden!